Was zeichnet den Erfolg von Fusionen aus und wie geht man in den Verhandlungen mit
Misserfolgen und scheinbar unvereinbaren Hürden um? Eine entscheidende Frage, die
sich die Lenkungsgruppe des Städtischen Krankenhaus Pirmasens stellte.
Die retrospektive Analyse und Bewertung gescheiterter Klinikfusionen oder Übernahmen stellt
sich oftmals als vielschichtig dar. Wie kein anderer Markt ist insbesondere der Klinikmarkt von
so vielen Stakeholdern beeinflusst, sodass es ausgesprochen schwer ist, die diversen
Interessen auszubalancieren und sie am Ende zu guten und nachhaltigen Ergebnissen zu
führen.
Ein guter Anfang ist essenziell – Gegenseitiges Vertrauen ist der Schlüssel zum Erfolg
Es mag banal klingen, aber schon das Aufsetzen der Verhandlung kann den Misserfolg
besiegeln oder den Grundstein zum Erfolg darstellen. In vielen Fusionsgesprächen verhandeln
die Geschäftsführer der jeweiligen Kliniken direkt miteinander. Dies ist häufig ein erster
Fallstrick. Es ist empfehlenswert die Verantwortung zu delegieren und auf mehrere Schultern
zu verteilen, denn eine Übernahme kann heutzutage bei den multiplen Herausforderungen des
Klinikalltages nicht mehr parallel in Eigenregie gemanagt werden. Insofern ist es ratsam, ein
spezialisiertes Verhandlungsteam (Lenkungsgruppe) aufzusetzen, das mit internen und
externen Experten besetzt sein sollte. Idealerweise ist das Verhandlungsteam mit
weitreichenden Kompetenzen ausgestattet: Es verantwortet den Due-Diligence-Prozess,
steuert interne und externe Ressourcen und führt die Verhandlungen. Dafür sollte eine eigene
Projektorganisation entworfen und entwickelt werden, die je nach konkretem Fall
individualisiert betrachtet werden muss.
Auch das erste Auftreten und Zusammentreffen der gegenseitigen Verhandlungspartner muss
gut vorbereitet sein. Es muss geklärt sein, wer welche Rolle hat, wie die gegenseitigen
Erwartungshaltungen sind und wie die Entscheidungs- und Verhandlungsräume ausgestaltet
sind. Auch empfiehlt es sich eine erste Kennenlern-Runde in einem kleinen Kreis zu
arrangieren, um ein Gefühl und Gespür für den Verhandlungspartner zu bekommen. Am Ende
ist auch das Klinikgeschäft ein People Business.
Organisation – eine klare Vorgehensweise, Kommunikation und Struktur hilft
In einer frühen Phase der Due-Diligence ist es auch ratsam die Protagonisten der zweiten
Ebene der jeweiligen Häuser miteinzubinden. Denn externe Einflüsse, die zum Beispiel durch
Berichterstattungen oder Stimmen aus der Politik erfolgen, beeinflussen die Mitarbeiter und
Patienten auf beiden Seiten und können zusätzlich zur eigenen persönlichen Verunsicherung
beitragen. Dies kann zu Kaskadeneffekten innerhalb der Organisationen führen, welche im
weiteren Prozess die Zusammenarbeit unnötig erschweren können. Dies bedeutet letztendlich
zusätzliche Ressourcen einsetzen zu müssen, um den Prüfprozess wieder in die richtigen
Bahnen zu lenken oder ihn sogar vor dem frühzeitigen Scheitern zu retten. Es empfiehlt sich
auch in dieser frühen Phase eine gemeinsame Abstimmung der Kommunikation nach außen
und nach innen festzulegen.
Die Mitnahme der Mitarbeiter wird dadurch erleichtert, dass zum Beispiel auf AbteilungsleiterEbene ein erster gemeinsamer Austausch stattfindet, um die Daten aus der Due-Diligence-Prüfung in persönlichen Gesprächen zu validieren und auszuwerten. Dieses Vorgehen schafft den persönlichen Kontakt, eine direkte Kommunikationsebene und führt im besten Fall zu einer ersten Vertrauensbasis. Im schlechten Fall kommen auch Probleme schnell zum Vorschein,
die es zu lösen gilt. Die Kunst ist auch Verantwortung zuzulassen. Die Bewertung und
Vorstellung der Ergebnisse erfolgt gebündelt in der Lenkungsgruppe, die dann mittels einer
Ampelfunktion bewertet, ob die Themen weiter eskaliert werden müssen, ein grünes Häkchen
bekommen oder nochmals nachgeschärft werden müssen, weil die Ampel noch gelb ist.
Dieses Vorgehen hat einen weiteren großen Vorteil. Die Mitarbeiter der verschiedenen Häuser
wachsen zusammen und es werden Hürden abgebaut, die die spätere Zusammenarbeit
vereinfachen und bei der Definition der späteren neuen Rollen auch erste wichtige
Erkenntnisse liefern.
Keine Stakeholder vergessen – ein klarer Match- und Zeitplan muss her
Es ist von Beginn an wichtig, alle Stakeholder zu identifizieren und einzubinden. Dies kostet
am Anfang des Due-Diligence-Prozesses sicherlich viel Zeit und Mühe, aber es lohnt sich. Nur
auf diese Weise kann man eine gewisse Grundgeschwindigkeit entwickeln, die oft berechtigten
Mahner und Kritiker einbinden sowie die Zeit finden sich mit den sachlich berechtigten
Kritikpunkten auseinanderzusetzen. Denn am Ende der ersten Phase des Due-DiligenceProzesses sollte in einem ersten Plausibilitäts-Check eine Abwägung der Chancen und
Risiken stehen, ob und inwiefern es sinnvoll ist, in den vertieften Übernahme-Prozess
einzusteigen.
Parallel ist es ratsam die größten Stolpersteine und No-Go Areas für beide Seiten
herauszuarbeiten – wenn sie denn nicht offensichtlich sind – um sich in den
Verhandlungsphasen darauf konzentrieren zu können. Hierbei zahlt sich im besten Fall das
gegenseitig geschaffene Vertrauen in der Anfangsphase aus, um gegebenenfalls zusammen
auch „Solutions-away from the table“ zu finden.
Es empfiehlt sich auch gemeinschaftlich eine Deadline für die finale Entscheidung eines
Zusammenschlusses zu setzen. Das erhöht den inneren und äußeren Druck, schwört
zusammen und konzentriert die Kräfte auf das Wesentliche. Es ist unbedingt davon abzuraten
mit einem offenen zeitlichen Ende zu verhandeln. Der Spannungsbogen muss erhalten
bleiben, damit das gemeinsame Ziel nicht aus dem Fokus gerät.
Deal Closing – die wirkliche Arbeit beginnt
Ende gut alles gut? Könnte man meinen, aber weit gefehlt. Nach dem Vertragsschluss beginnt
eigentlich die richtige Arbeit. Die Zeit zwischen Vertragsschluss und der offiziellen Übernahme
sollte bestmöglich genutzt werden. Es muss ein Change-Management-Prozess in Gang
gebracht werden, die Mitarbeiter kommen meistens aus unterschiedlichen Kulturkreisen, die
zusammengeführt werden müssen. Die identifizierten Synergiepotentiale müssen gehoben
werden, unterschiedliche Digitalisierungsgrade angeglichen, das medizinische
Leistungsspektrum angepasst und neue Organisationsstrukturen entworfen, kommuniziert
und umgesetzt werden.
Schnell wird festgestellt, dass nicht nur das zu übernehmende Haus neu gestärkt werden
muss, sondern auch der Übernehmer sich Gedanken machen muss, welche Änderungen und
Neuerungen die Übernahme für das eigene Haus bedeutet. Wie muss die neue
gemeinschaftliche Positionierung aussehen, welche Strukturveränderungen müssen
eingeleitet werden und wie begeistere ich die momentan ohnehin schon mit dem Corona Alltag
belasteten Mitarbeiter für die neuen Ziele.
Es scheint eine Mammutaufgabe zu sein, aber in der Veränderung liegt auch eine große
Chance, die neue Möglichkeiten erschafft, die im Vorfeld einer Fusion undenkbar sind. Neben
einer langfristigen Sicherung von Standorten entsteht auch eine neue Perspektive für
Mitarbeiter und vor allem für die Patienten in der Region, die von den verbesserten Angeboten
profitieren.
Hintergrundinformationen:
Herr Erwin Merz (Stellvertretender Geschäftsführer des Städtischen Krankenhauses Pirmasens),
Herr Markus de Rossi (Geschäftsführer der Unternehmensberatung owamed, Baden-Baden)
und Herr Christian Heinrich (Kaufmännischer Betriebsleiter der MVZ Städtisches Krankenhaus
Pirmasens gGmbH und Abteilungsleiter Organisation & Qualitätsmanagement) waren
zusammen als speziell formierte und durch den Geschäftsführer des Städtischen Krankenhauses
Pirmasens gGmbH, Herrn Martin Forster eingesetzte Lenkungsgruppe des Städtischen
Krankenhauses Pirmasens verantwortlich für die erfolgreiche Übernahme des St. Elisabeth-Krankenhaus in Rodalben.